Verfallsklausel und Kündigungsschutzklage

Gordon Neumann

Kündigungsschutzklage wahrt Ausschlussfristen für Lohnansprüche

Viele Arbeits- und Tarifverträge enthalten sogenannte Ausschlussfristen (oder Verfallsfristen). Diese lauten sinngemäß so, dass man einen Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist - schriftlich - geltend machen muss. Wird diese Frist versäumt, ist der Anspruch untergegangen (verfallen). Oft gibt es noch eine weitere Stufe, wonach innerhalb einer weiteren Frist Klage erhoben worden sein muss, um ein Verfall der Ansprüche zu verhindern.

Wenn sich ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt, wird der Rechtsstreit oft erst nach Ablauf der Kündigumngsfrist entscheiden. Das Problem war in der Vergangenheit, dass oft vergessne wurde, die Vergütungsansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist geltend zu machen (bzw. anschließend einzuklagen).

Bis zum Jahr 2008 hat die Erhebung einer Kündigungsschutzklage den Verfall der erwähnten Vergütungsansprüche (man spricht hier vom Annahmeverzugslohn) nicht verhindert. Nach 2008 wahrte die Erhebung der Kündigungsschutzklage jedenfalls eine erste Stufe aus einer arbeitsvertraglichen Verfallsklausel.

Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.09.2012 (5 AZR 627/11) ist es nunmehr so, dass mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage sowohl etwaige arbeitsvertraglich vereinbarte Verfallsklauseln, als auch etwaige tarifliche Verfallsklauseln in Bezug auf den Annahmeverzugslohn eingehalten werden. Hintergrund ist der verfassungsrechtswidrige Umstand, dass der Arbeitnehmer ansonsten gezwungen wäre, die Klage sukzessive um den Annahmeverzugslohn zu erweitern, damit diese Ansprüche nicht verfallen. Insbesondere bei längeren Verfahren führt dies zu erheblichen Verfahrenskosten, die im Arbeitsrecht in der ersten Instanz der Arbeitnehmer allein zu tragen hat (jede Partei trägt die eigenen Rechtsverfolgungskosten).

Zusammenfassung: Vergütungsansprüche für die Zeit zwischen dem Ende der Kündigungsfrist und dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verfallen nach der neuen Rechtsprechung des BAG nicht (mehr). Ein gesondertes Geltendmachen, Beziffern oder Einklagen ist nicht (mehr) erforderlich. Diese geänderte Rechtsprechung kommt meiner Meinung nach sehr vielen Arbeitnehmern zugute, die bislang oft "vergessen" hatten, an vereinbarte Ausschluss- und Verfallsklauseln zu denken.

Achtung: Dies gilt nur für Ansprüche, die vom Ausgang des Kündigungs- oder Entfristungsrechtsstreits abhängen. Andere Ansprüche (z.B: das Zeugnis, bzw. die Zeugniskorrektur) müssen weiterhin "separat" geltend, bzw. eingeklagt werden.