Leiharbeitnehmer zählen immer häufiger wie Stammarbeitnehmer

Gordon Neumann

In der anwaltlichen Praxis spielt die Behandlung von Leiharbeitnehmern immer wieder eine Rolle. Dabei stehen zunehmend auch kollektivarbeitsrechtliche Fragen im Fokus.

Früher galt der Grundsatz: "Leiharbeitnehmer wählen, aber zählen nicht mit.". Gemeint war, dass nach der Reform des BetrVG Leiharbeitnehmer den Betriebsrat mitwählen durften, wenn sie länger als 3 Monate beim Entleiher eingesetzt werden.

In einer Reihe von Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht diesen Grundsatz aufgeweicht. Bereits 2011 hat das höchste deutsche Arbeitsgericht entschieden, dass Leiharbeitnehmer, die länger als 3 Monate beim Entleiher arbeiten, zur Feststellung der Belegschaftsstärke mitzählen (1 AZR 335/10). Im damals entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Wenn dies so wäre, hätte er nach § 111 BetrVG den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betreibsänderungen mit ihm beraten müssen. Der Arbeitgeber beschäftigte regelmäßig 20 eigene Arbeitnehmer. In der Zeit vom 3. November 2008 bis zum 15. September 2009 war bei ihm darüber hinaus eine Leiharbeitnehmerin eingesetzt.

Im Wesentlichen wegen des Gesetzeszwecks hat das BAG entschieden, dass es nicht auf die Frage ankommt, mit wem das Arbeitsverhältnis besteht. Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung schützen wollte. Vor diesem Hintergrund macht es aber sozusagen keinen Unterschied, ob das betreffende Unternehmen einen "eigenen" Arbeitnehmer beschäftigt oder einen "fremden" Arbeitnehmer (zumindest, wenn dies eine bestimmte Zeit lang erfolgt). Also werden fremde wie eigene Arbeitnehmer mitgezählt. Wer 21 Arbeitnehmer bezahlt, hat auch 21 Arbeitnehmer im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn.

Seit 2013 werden sodann Leiharbeitnehmer für die Frage, ab wie vielen Beschäftigten das Kündigungsschutzgesetz angewendet wird, mitgezählt. Außerdem werden seither Leiharbeitnehmer für die Ermittlung der Größe des Betriebsrats mitgezählt.

Mit seinem Urteil vom 04.11.2015 (7 ABR 42/13) hat das BAG enschieden, dass Leiharbeitnehmer nun auch bei der Berechnung der Mitarbeiterzahl zur Bestimmung der Schwellenwerte für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder mitzählen.

Das bedeutet:

Leiharbeitnehmer, die länger als 3 Monate beim Entleiher beschäftigt werden, zählen mit der der Frage, ob ein Interessenausgleich/Sozialplan verhandelt werden muss (§ 111 BetrVG), bei der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 KSchG), bei der Berechnung der Größe des BR (§ 9 BetrVG) und der Ermittlung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 9 Mitbestimmungsgesetz).

Anmerkung:

Die Tendenz, Leiharbeitnehmer bei (betriebsverfassungsrechtlichen) Schwellenwerten mitzuzählen, wird immer stärker. Es ist langsam der Punkt erreicht, an dem der Gesetzgeber für Klarheit sorgen sollte. Damit wären dann solch überraschende Urteile, wie die vorerwähnten oder das des Landgerichts Frankfurt am Main nicht möglich.

Im Februar 2015 entschied das Landgericht Frankfurt, dass bei den Schwellenwerten zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat auch Arbeitnehmer der ausländischen Gesellschaften zu berücksichtigen sind (3-16 O 1/14).

Wenn Leiharbeitnehmer und/oder Arbeitnehmer der ausländischen Gesellschaften berücksichtigt werden sollen, mag das der Gestezgeber klarstellen, damit alle Beteiligten wissen, woran sie sind.

Gordon Neumann, Rechtsanwalt. Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Will+Partner Fachanwälte / Rechtsanwälte, Mönckebergstraße 27, 20095 Hamburg (040-32809780  neumann@wns-partner.de)