Neues Urteil: Nach der Nachtschicht noch zur Betriebsratssitzung?

Gordon Neumann

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht werde ich immer wieder gefragt, ob Betriebsratstätigkeiten als Arbeitszeit gelten und wie die Rechtslage ist, wenn zwischen dem Ende der Schicht und einer Betriebsratssitzung nur wenig Zeit liegt. Darf man als BR-Mitglied überhaupt an einer solchen Sitzung teilnehmen? Normalerweise muss man doch 11 Stunden frei haben, bevor man wieder zur Arbeit "darf" (sog. Ruhezeit nach § 5 Arbeitszeitgesetz)!?

Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt erfreulicherweise Klarheit geschaffen:

Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten - außerhalb seiner Arbeitszeit - tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht einzustellen, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist.

Das Gericht hat dabei offen gelassen, wie das wissenschaftlich korrekt zu begründen ist. Man könnte nämlich sagen, dass Betriebsratstätigkeit Arbeitszeit (iSv. § 2 Abs. 1 ArbZG) ist. Wenn das so wäre, würde § 5 Abs. 1 ArbZG einschlägig sein. Danach muss der Arbeitnehmer eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden haben. Man könnte auch sagen, dass Betriebsratstätigkeit keine Arbeitszeit ist. Dann würde "trotzdem" die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar sein, weil jedenfalls die in § 5 Abs. 1 ArbZG steckende Wertung zu berücksichtigen ist. So oder so ist also § 5 Abs. 1 ArbZG zu beachten. Und danach muss der Arbeitnehmer eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden haben.

Wer also beispielsweise Dienstag von 22:00 Uhr bis Mittwoch 06:00 Uhr Nachtschicht hat, darf frühestens erst wieder Mittwoch ab 17:00 Uhr arbeiten. Eine Betriebsratssitzung am Mittwoch um 13:00 Uhr wäre dann rechtswidrig.

Genau so lag es im Fall, der jetzt entschieden wurde (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18. Januar 2017 - 7 AZR 224/15):

Der Arbeitnehmer hat um 02:00 Uhr seine Arbeit eingestellt, weil er um 13:00 Uhr an einer Betriebsratssitzung teilnehmen musste.

Das Bundesarbeitsgerricht hat entschieden, dass er die Zeit bis 06:00 Uhr (dem vorgesehenen Ende seiner Nachtschicht) trotzdem bezahlt erhält!

Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats auch dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat. Vorliegend war dem Kläger die Erbringung der Arbeitsleistung am 17. Juli 2013 jedenfalls ab 2:00 Uhr wegen der um 13:00 Uhr beginnenden Betriebsratssitzung unzumutbar, weil ihm bei Fortsetzung seiner Arbeit zwischen den Arbeitsschichten keine durchgehende Erholungszeit von elf Stunden zur Verfügung gestanden hätte.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 1/17 des Bundesarbeitsgerichts vom 18.1.2017.

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